Ein kurzer Besuch in dem Lousiaden Archipelago
Unseren letzten Abend in Gizo verbringen wir auf der Yacht „Sang Bajou“ und lassen uns von wunderbaren Fotos aus Sarawak in Malaysia sowie den Inseln von Palau in Mikronesien betören. Wir erwägen ernsthaft, nördlich von Papua Neu Guinea entlang und dann nach Palau, Mikronesien und von dort nach Sarawak, auf der Insel Borneo, aber zu Malaysia gehörend, zu segeln. Wollen wir es wagen, diese traumhafte, aber lange Strecke abseits der üblichen Segelroute zu erforschen, mit einem teilweise funktionierenden Alternator, dessen Strom (nebst zwei Solarpanelen) knapp für die Motor-Starterbatterie, den Autopiloten und diversen Annehmlichkeiten wie Kühlschrank und Licht ausreichend ist? Mein Kopf, meine Arme und Beine schmerzen. Hängt das mit der Malaria-Tablette zusammen, die ich heute als Prophylaxe eingenommen habe? Was, wenn tatsächlich jemand von uns mit dem Malaria Parasiten infiziert wäre? Bekämen wir auf dieser Strecke schnell genug medizinische Hilfe?
Nein, wir wagen uns nicht vom ursprünglichen Weg und bleiben auf unserer vorgesehenen Route zu den Louisiaden und zur Hauptstadt von Papua Neu Guinea, Port Moresby. Wir bestellen per e-mail noch einmal verschiedene benötigte Ersatzteile bei Vetus in der Schweiz nach Port Moresby. Morgen werden wir zusammen mit den zwei Yachten „Dolphin Queen“ und „Solidad“ sowie dem Trimaran „Anon“ zu den Louisiaden los segeln.
Die Wetterprognose verheisst Flaute. Wir starten schliesslich als einziges von den vier Schiffen. Mit unserem Stromproblem werden wir sowieso sehr viel die Maschine laufen lassen müssen und hoffen dafür auf möglichst wenig Seegang. Schon nach wenigen Meilen bläst der Wind mit idealen 15 Knoten. Wir setzen die Segeln und funken die erfreuliche Wettersituation an unsere Freunde. Aber bald nimmt er zu und erreicht 25 – 30 Knoten Windstärke und die See bewegt sich einmal mehr kreuz und quer. Meine anhaltenden Kopf- und Gliederschmerzen vereinen sich mit der üblen Seekrankheit. Bald hänge ich angeleint am Relingsnetz und füttere die Fische. Seekrankheit in diesem Ausmass war mir bis anhin unbekannt. Andi übernimmt die meisten Wachen. Die Nacht wird rau, aber das sind wir uns ja inzwischen schon fast gewohnt.
Frühmorgens schleppe ich mich mit zitternden Knien in die Pantry, hole einen Pack Kekse drücke ihn Yanik in die Hände und bitte Yanik und Fabien, sich selbst das Frühstück zuzubereiten und für Floris zu sorgen. „Trinkt genügend und wartet bis Papa wach ist“, sage ich und verdrücke mich ins Cockpit zur Wache. Warum werde ich plötzlich so seekrank? Ich hege den Verdacht, dass es einen Zusammenhang mit der Malariaprophylaxe gibt. Ich ertrage keinen Schluck Wasser und schon gar nichts zu essen. Jedes Segelmanöver wird zur Tortur. Yanik dass in der Toilette dauernd das spülwasser nachläuft und droht überzulaufen. Aber ein paar Mal Pumpen genügen den Wassereinfluss zu stoppen. Sollte etwas überlaufen, fliesst es beim Duschwannenabfluss ab und wird als Abwasser raus gepumpt.
In der zweiten Nacht liege ich in halbwachem Zustand in meiner Koje und höre Andi nach Mitternacht hektisch herum hantieren. Er stellt die Bilgenpumpe ein! Ich lausche, doch mir ist immer noch zu elend um aufzustehen. Sollte es etwas wirklich Ernsthaftes sein, würde er mich rufen.
Bei Tagesanbruch schleppe ich mich zur Ablösung von Andi in das Cockpit. „Ist alles ok?“ frage ich. „Ja, eigentlich schon. Der Wasserzufluss in die Toilette hat mit der Krängung des Schiffes stark zugenommen“, meint Andi. Aha, darum also hat er heute Nacht die Bilgenpumpe eingestellt. „Hatten wir viel Wasser im Schiff?“ hake ich nach. „Ziemlich“, lautet die schonende Antwort. Mir schwant Böses. „Waren die Konservenbüchsen in der Bilge in der Schiffsmitte alle unter Wasser?“ komme ich auf den Punkt, denn wenn die Konservenbüchsen mittschiffs (!) unter Wasser sind, dann war das Wasser sicherlich nicht zu knapp! Das heisst, dass ich nach unserer Ankunft statt der ersehnten Ruhe, alle Konservenbüchsen aus der Bilge ausräumen muss, jede einzeln mit Süsswasser spülen, abtrocknen, anschreiben, die ganze Bilge ausspülen und so weiter. Das sind ja tolle Aussichten.
Meine Segelleidenschaft befindet sich wieder mal an einem Tiefpunkt. Ich sinniere über unsere unangenehmen Überfahrten. Nicht einmal Delfine haben wir seit Fiji wieder gesehen. Prompt begleitet uns zwanzig Minuten später eine ganze Delfinschule! Herrlich, ich nehme es als Friedensangebot von Neptun an und bin versöhnt.
Am späteren Morgen steuern wir das riesige Calvados Riff an. Der Riffeingang ist etwa 500 m weit. Das Wasser strudelt und spritzt um die „Muscat“. Von der Riffpassage bis zu den Inseln in der Riffmitte sind es 17 km! Schliesslich ankern wir in einer Bucht mit weissem Sandstrand und smaragdgrünem Wasser.
Ein stärkendes Essen, einen Sprung ins klare, warme Meerwasser, bald sieht die Welt wieder anders aus und wir nehmen unsere grosse Bilgenreinigung in Angriff. Das Wasser stand steuerbords recht hoch, d.h. alle Spielsachen unter Yaniks Koje lagen bei dieser Krängung bereits unter Wasser. Viel hat nicht gefehlt und er hätte im Wasser gelegen! Eigentlich könnte das tröpfelnde Wasser problemlos durch den Abfluss in der Dusche abgelaufen. Aber ganz nach Murphys Gesetz gibt genau dann die Abwasserpumpe ihren Geist auf und alles läuft in die Bilge. Dort versagt prompt die automatische Bilgenpumpe. Da wir in der Nacht den Motor lange mitlaufen lassen mussten, hört Andi erst nach dem Ausschalten das Plätschern in der Bilge und stellt sofort die Bilgenpumpe manuell ein.
Nach getaner Arbeit geniessen wir alle den Sandstrand doppelt, spazieren über die Insel kargen Gärten entlang zu kleinen Häusern auf Stelzen, suchen Muscheln und geniessen die Ruhe. Wir lernen Sam kennen, der es als Wink Gottes versteht, gerade drei Yachten in der Bucht zu Besuch zu haben. Er hat dafür gebetet, dass er benötigte Alltagswaren für sich und seine Sippe erhält und lädt uns alle zu gebratenen Schwein und anderen lokalen Leckereien in sein Haus ein. Sams Frau möchte, dass wir ihr zeigen, wie man Shorts näht. Kein Problem, schon am nächsten Tag knie ich am Boden vor einer von Hand angetriebenen, chinesischen Singer-Nähmaschine und schneidere aus einem alten Mädchenrock weite Shorts.
Übrigens erlebt die „Dolphin Queen“ eine noch rauere Übersegelung als wir, Wellen rauschen über ihr Deck und die Crew ist wirklich froh, am Ziel zu sein. Auch dem Trimaran „Anon“ ergeht es nicht besser. Dort steigt eine Welle ins Cockpit, das Achterstag bricht. Und die „Solidad“ strandet gar auf dem Riff. Drei Tage liegt die Hauptmaschine unter Wasser, bevor „Solidad“ wieder soweit flott ist, dass sie in den nächsten Hafen geschleppt werden kann.
Unsere Zeit drängt uns, weiter zu segeln. So viele schöne Ankerplätze und Riffe gäbe es hier noch zu entdecken! Es ist inzwischen Anfang Oktober. Nach unserem Zeitplan müssten wir jetzt bereits in Indonesien ankommen.
Happy hour im Royal Papua Yacht Club
Nach Port Moresby segeln wir mit tollem Wind und ruhiger See. Ein feiner Kingfisch beisst an und zufrieden fahren wir 2 Tage später durch das Riff vor Port Moresby, vorbei an der kleinen City in den „Royal Papua Yacht Club“. Vorbildlich haben wir alle Flaggen gesetzt und uns bereits über Funk angemeldet. Die Schweizer Yacht „Helena Zwo“ ist kurz vor uns angekommen. Wir werden vom Chauffeur des Yacht Clubs mit dem Boot vom Schiff abgeholt. Er fährt Bruno, Helen und Andi überall hin, wo sie Einreiseformalitäten erledigen müssen. Währendessen vergnüge ich mich mit unseren Leichtmatrosen an der Bar und auf dem kleinen Spielplatz des Yachtclubs. Die nächsten Tage geniessen wir, im Kontrast zu den vorherigen Wochen, gemütlich zusammen mit Seglerfreunden. Im Yachtclub sind wir als Gäste bei der täglichen happy hour, Kinderfilmstunden, Grillabenden, Bootsmesse, und bei besonderen Anlässen willkommen. Hier feiern wir auch Floris dritten Geburtstag mit allen neun Seglerkids („Ilya“ und Dolphin Queen“ sind unterdessen auch hier eingetroffen). Yanik und Fabien dürfen am Wochenende den Optimisten-Segelkurs des Clubs besuchen.
Derweil beschlagnahme ich den grossen Waschsalon mit heissem Wasser und wasche nebst allen Kleidern auch gleich die ganze Bettwäsche, Kissen und Sofabezüge. Zwei Tage danach stellen wir bei Floris Läuse fest. Also wasche ich gleich alles noch einmal durch. So wird es auch mir nie langweilig! Zum Glück hat nur Floris Läuse. Leider lassen die sich aber nicht mit dem Lausshampoo ausrotten und nach einer Woche erfolgloser Versuche, die Läuse mit Spezialshampoo zu eliminieren greif Andi zu einem radikalen Mittel: Mittels Schere und Langhaarschneider erhält Floris einen 2 mm Schnitt.
Es ist nicht einfach, Papua Neu Guinea zu bereisen. Das Strassennetz ist spärlich, das Land riesig und schwer zugänglich. Das ist sehr schade, denn Papua Neu Guinea (PNG) hätte uns so viel zu zeigen an einer Kulturvielfalt und Natur, wie wohl kaum ein Land. Im Yacht Club wird uns ganz dringend davon abgeraten, uns zu Fuss in Port Moresby umzusehen. Es sei viel zu gefährlich. Wir wagen es trotzdem, fahren zuerst mit dem Taxi in das Stadtzentrum und flanieren den paar Läden der City entlang. Bettelnde Kinder umschwirren uns, sonst lässt man uns unbehelligt. Die nächsten Male fahren wir mit dem Minibus. Die Menschen sind sehr hilfsbereit und freundlich. Inzwischen haben wir erfahren, dass die Arbeitslosenrate zwar offiziell unbekannt ist, aber nach Schätzungen weit über 60 Prozent liegt. Wir wissen, dass in diesem (reichen) Land voller Bodenschätze bei vielen Menschen schlicht und einfach Hunger herrscht. Ein gut bezahlter Tageslohn liegt bei CHF 5.–! Dabei sind die Preise in den Supermärkten höher als in der Schweiz! So leistet sich der Mensch mit weisser Hautfarbe ein angenehmes, feudales Leben, während der Papua Neu Guineaner in Armut und in der Stadt auch oft im Elend lebt.
Zusammen mit der Yacht „Ilya“, die wie viele andere auch, unsere „Freitagsregel“ belächelt, werden wir also nach langer Zeit wieder einmal an einem Freitag auslaufen und testen, was es mit diesem Freitag nun auf sich hat. „Müssen wir noch Diesel tanken?“ „Nein, der reicht noch weit“, meint der Skipper. So füllen wir unsere Wassertanks und Kanister, zurren alles fest und laufen aus. Ein idealer Wind bläst ausserhalb des Riffs. Kaum haben wir die Segel gesetzt hören Vivian auf UKW rufen. „Ich wollte euch nur sagen, dass wir einen Unfall an Bord haben. Eine Rolle ist Christian an den Kopf geprallt. Wir müssen zurück in den Hafen und die Schramme nähen lassen. Nie mehr starten wir an einem Freitag!“ Wir gucken uns an. „Wenn du willst, segeln wir in den Hafen zurück und starten morgen“, meint Andi. Nein, also so weit lassen wir es mit dem Aberglauben nicht kommen. Notfalls können wir in der Torres Strait (der Meerenge zwischen Australien und PNG) bei einer Insel die Reise unterbrechen.
Der Wind bläst mit 20 Knoten von Südwest, alles läuft wunderbar. Die berüchtigte Meerenge zwischen Australien und PNG, die Torres Strait, zeigt sich von der besten Seite. Durch smaragdgrünes Wasser segeln wir Meile um Meile vorbei an kleinen idyllischen Inselchen und ankern zwei Tage später vor Sue Island. Wir geniessen eine ruhige Nacht bevor wir die weiteren 1.000 Seemeilen nach Kupang, auf der Insel Timor, Indonesien unter den Kiel nehmen. Alles geht gut, abgesehen von unserem Alternator, der immer nach 10 Minuten Betrieb eine zu hohe Spannung erzeugt und sich selber abschaltet. Warum es zu dieser Überspannung kommt ist Andi schleierhaft. Wir haben einen weiteren Tag wunderbares Segelwetter, dann stellt der Wind total ab. Es herrscht absolute Flaute. Das freut die Kinder, denn wenn der Motor läuft, haben wir genügend Strom und sie dürfen am Computer spielen. Diese Abwechselung ist eher selten und darum sehr begehrt.
Lernen, Spielen und so fort: Alltag an Bord
Drei Tage lang haben wir wunderbares Segelwetter, dann stellt der Wind total ab. Es herrscht Flaute. Doch unsere Tage sind keineswegs langweilig. Abgesehen vom Fischfang, der an diesem Beispiel-Tag einmalig war, verlaufen sie sonst etwa so: Für mich ist um 6.00 Uhr Tagwache. Damit löse ich Andi von seiner langen Nachtwache ab, er legt sich schlafen. Ich rolle die lange Anglerleine mit Tintenfisch aus. Schwupps, beisst grad der erste Thunfisch an. Statt meine ruhige Zeit bis um 7.00 Uhr zu geniessen, bevor die Kinder langsam aufwachen, nehme ich den Fisch aus und filettiere ihn. Dann bereite ich das Frühstück zu. Um 7.45 Uhr nehme ich über Funk Kontakt auf mit unseren Seglerfreunden und gebe ihnen unsere Position, Wind und Wetter und unser Wohlbefinden durch. Die Kinder lernen ihren Schulstoff und spielen nach getaner Arbeit Gesellschaftsspiele. Jetzt will ich wieder mal meine Fischleine kontrollieren und siehe da, ein zweiter Thunfisch will in die Bratpfanne. Auf meinem Petrolkocher kochen, braucht genügend Zeit. Sushi mit frischem Fisch, Fischbällchen, Reis und Salat geben ein feudales Menu ab. Nach dem Abwasch gönne ich mir ein Nickerchen, bevor wir am Nachmittag noch einmal kurz den Schulstoff studieren und weiter spielen oder basteln. Natürlich ist es längst wieder mal Zeit, die Fischleine zu kontrollieren. Andi zieht einen Barracuda raus, der passt mir aber nicht nach den zwei herrlichen Thunfischen. So werfen wir ihn zurück ins Meer. Nach dem Abendessen spielen, musizieren oder singen wir. Andi geht als erster schlafen, bis er mich um etwa 22.00 Uhr von der Wache ablöst.
Zum Tanken schnell nach Australien!
Auch am sechsten Tag nach unserer Abreise von PNG herrscht weiterhin totale Flaute. Andi rumort im heissen Motorraum, kommt ins Cockpit und sagt: „Wir haben nicht genügend Diesel.“ Was erwartet man auf so eine Eröffnung bei totaler Flaute, noch etwa 900 Seemeilen vom Ziel entfernt als Antwort von der Bordfrau? Mir fällt nicht anderes ein, als zu kichern und zu sagen: „Ha, ha, tolles Witzchen. Du hast mir doch in Port Moresby versichert, dass wir genügend haben!“ Er bleibt still. Drohend steigert sich die Stimme der Bordfrau: „Oder etwa nicht?“ „Ja, aber ich habe mich geirrt!“ Ich kann es nicht fassen! Was wäre, wenn ich mich irren und kein Wasser tanken würde? „Ja, und was machen wir jetzt? “ „Keine Ahnung, sparen.“ Ich sehe uns schon, wochenlang auf dem Wasser herumdümpeln. Langsam würde uns das Süsswasser knapp werden, da wir für die Entsalzungsanlage den Motor, also Diesel brauchen. Ich muss auf das Vordeck, mich bewegen, damit ich nicht meinen Redeschwall wieder kontrollieren kann. Zuhause müsste ich jetzt wohl mindestens einmal zur „Hohen Buche“ hinauf und zurück rennen. Hier bleiben wir auf engstem Raum zusammen.
Wo zum Teufel liegt Gove?
Darwin, als nächste, grosse Stadt an der australischen Nordküste, liegt noch 350 Seemeilen von uns entfernt. Nicht einmal mehr soweit würde unser Diesel reichen. „Geht nach Gove“, rät Brian von der „Anon“ über das Radio. Nach Gove? Das kleine Camp im Aboriginal Reservat in Arnhem Land? Da wo sich Krokodil und Wasserbüffel gute Nacht sagen, ausgerechnet da soll es Diesel geben? Tatsächlich gibt es dort eine grosse Bauxitmine, die früher Alusuisse gehörte. Vor 18 Jahren reiste ich bereits einmal in dieses abgelegene Nest. Es bleibt uns nichts übrig, als mit den letzten Litern Diesel in Australien notzulanden. Dies ohne Visa, was eine horrende Busse von etwa 5000 CHF kosten könnte. Was wird wohl mit all unseren Muscheln, Holzschnitzereien und Essensvorräte passieren? Werden sie alle beschlagnahmt? Ob wir denn überhaupt an Land dürfen? Was wird uns diese Geschichte am Ende kosten? Wir haben keine Wahl, wir ändern unseren Kurs nach Süden, Richtung Gove.
17 Seemeilen vor dem Ziel ist der Diesel tatsächlich zu Ende, der Motor stottert und geht aus. Andi pumpt den kleinen Rest vom Tank in einen Kanister, hängt Schläuche um. Diese letzten Reste reichen gerade bis zu Ankerplatz und später zur Tankstelle. Wir melden uns per Funk beim Zoll, schildern unsere Lage. Die Beamten wollen sofort kommen und bitten uns, sie mit dem Dingi in 20 Minuten beim Yachtclub abzuholen. Pünktlich stehen wir dort, doch wir treffen nur die Bardame an. Sie funkt zum Zoll und fragt nach. Da erfahren wir, dass es illegal ist, einfach so an Land zu kommen. Wir müssen sofort zur „Muscat“ zurück. Also fahren wir umgehend zurück. Kaum sind wir zurück auf der „Muscat“, funkt der Yachtclub, nun sei der Beamte da und wir sollen ihn doch bitte abholen. Kein Problem, wenn es sein muss, fahren wir für diese wichtigen Person auch noch zehn Mal hin und her. Der Zollbeamte Jason fragt uns nach allen Details und lässt sich unsere Erklärung genauestens für die Einwanderungsbehörde skizzieren.
Wir sind über das Problem mit unserem Alternator schon fast glücklich, da es unsere unvorgesehene Anreise in Australien viel pausibler macht, als ein banaler leerer Dieseltank. Nebenbei bemerke ich, dass an Land wohl ein Buschbrand wütet. „Nein“, erklärt Jason, „wir verbrennen die 20 indonesischen Fischerboote, die ihr wohl in der oberen Bucht gesehen habt. Sie fischten unerlaubterweise in australischen Gewässern. Den Kapitän stecken wir ins Gefängnis und die Crew schicken wir nach Hause. Sonst lernen die das ja nie, nicht wahr?“ fügt er hinzu. Zum Glück ist unsere „Muscat“ aus Aluminium und nicht so einfach abzufackeln.
Die Quarantänebeamtin Jane durchsucht das ganze Schiff nach verbotenen Dingen. Wir einigen uns darauf, dass sie Früchte und Gemüse in einen Plastiksack steckt, versiegelt. Wir dürfen nichts an Land nehmen ausser unseren Kleidern, die wir tragen, und auch keine Gäste an Bord einladen. Dafür lässt sie unsere Waren an Bord. Auf die 20 AUS$ (ca. 20 CHF) Visagebühr pro Person verzichtet die Immigration, doch die 150 AUS$ für die Quarantäne müssen wir bezahlen. Als zusätzlichen Service bekommen wir gleich einen Termin, um Diesel bei der Bauxitmine zu tanken und eine Adresse von einem Mechaniker für den Alternator. Uff, das ging ja richtig gut aus. Wir sind überglücklich und inzwischen muss ich mir schon sehr das Lachen verkneifen, damit ich vor Freude über unseren Aufenthalt in Australien nicht zu sehr grinse und vor Freude laut loslache.
Es ist herrlich und interessant hier. Die rote Erde, der australische Duft, die Menschen und das Vogelgezwitscher erinnern mich an meine frühere Reise auf dem einzigartigen Kontinent. Fast spielen wir schon mit dem Gedanken, hier länger zu bleiben, aber nein, es passt nicht in unsere Planung. Andi baut den Alternator samt Zubehör erneut aus und macht sich per Daumen auf den Weg zum Mechaniker. Dann geniessen wir den kleinen Ort Nhulunbuy und kaufen nochmals kräftig westliche Lebensmittel ein. Wie klein diese Welt ist merke ich, als ich sogar noch einen alten Bekannten von meinem ersten Besuch aufstöbere und tatsächlich spaziert auch noch ein ehemaliger Alusuisse-Mitarbeiter von vor 18 Jahren in die Bar!
Der Mechaniker verkauft uns einen neuen Regulator mit der Versicherung, dass damit alle Probleme behoben wären. Na ja, wer’s glaubt! Aber was haben wir sonst für eine Wahl? Ein wenig traurig klarieren wir vier Tage später wieder aus. Unsere versiegelten Plastiksäcke werden nicht einmal mehr kontrolliert. Wenn wir noch einmal ein Problem hätten, sollten wir einfach wieder zurückkommen oder aber in Darwin notlanden und uns auf die hiesige Zollbehörde beziehen. „Das wäre kein Problem“, meint die Zollbeamtin. „Na ja, hoffen wir es nicht, sonst bleiben wir ewig hier“, antworte ich.
Kontrastreiches Indonesien
Die Sonne scheint in Arnhem Land am nächsten zu sein, es ist brennend heiss, kein Lüftchen weht. Wieder fahren wir unter Motor, zurück zu unserer vorgesehener Route nach Norden und weitere 800 Seemeilen bis nach Kupang. Erst auf den letzten 15 Seemeilen segeln wir mit 25 Knoten Wind und ankern schliesslich vor dem hässlichsten Stadtpanorama, das ich je gesehen habe.
Die Häuser sind seltsam über dem verdreckten Strand hinbetoniert und sehen aus, als hätte erst eine Bombe eingeschlagen. Unsere Einreiseformalitäten werden von einem Agent erledigt, während wir beginnen, Indonesien zu entdecken. Kleine Busse, genannt Bemos, reich geschmückt mit Klimbim und mit lauter Technomusik sowie Motorräder jagen sich laut hupend über die Strassen. Wir balancieren auf den löchrigen Gehsteigen an den überfüllten Läden entlang und staunen über die sehr tiefen Preise. Abends essen wir an einem der vielen, kleinen mobilen Essständen auf Rädern. Wir bestellen drei Portionen Nasi Goreng (Reisgericht), zweimal Mie Goreng (mit Nudeln) und einen Gemüsesalat mit Erdnusssosse. Die Reis- und die Nudelgerichte werden je mit einem Rührei garniert und einem grossen Teller Krabbenchips serviert. Zusammen kostet dies alles CHF 1.50! Dabei, so sagt uns unsere Tischnachbarin, hat er uns tatsächlich das doppelte berechnet, da wir Touristen seien.
Nun lassen wir auf unserer Reise den Pazifik hinter uns und werden in den nächsten Wochen einen neuen Kontinent Asien, die javanische See und das südchinesische Meer entdecken! Diese Gebiete sind bekannte Piratengewässer, was (oder wer) wird uns wohl da erwarten?