Salomon Inseln … Auf zu den unbekannten Salomon Inseln
Vor uns liegen die Salomon Inseln. „Dort sei es dann vorbei mit dem unbeschwerten Seglerleben“, werden wir von Seglern gewarnt. „Krokodile und Haie verunsichern die Gegend, Malaria sei ein hohes Risiko. Alles sollen wir wegschliessen, da es viele Diebe gebe und überhaupt seien die Bewohner nicht immer sehr friedfertig!“ Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen, das Land zu besuchen und – es hat sich gelohnt! Um es gleich vorweg zu nehmen: wir konnten in wunderschönen Lagunen unbeschwert baden, schnorcheln und tauchen und es wurde uns nie etwas gestohlen und niemand von uns wurde von einem Hai oder Krokodil gefressen. Wir trafen ausnahmslos auf freundliche, schüchterne Menschen.
Sechs grosse und über 900 kleine Salomon Inseln erstrecken sich über ca. 1.800 km von Ost nach West bis hin nach Papua Neu Guinea. Die Inseln sind meist bergig und von dichtem Grün überwuchert. 85 % der Bevölkerung lebt in kleinen Dörfern ohne Strom und Wasseranschluss im Haus, meist von dem, was sie in ihren Gärten anpflanzen oder im Meer fischen.
Nach vier Tagen intensiver Seglerei kommen wir in der Hauptstadt Honiara an. Hier setzen wir den Buganker zwischen den Fischerbooten und befestigen zwei Heckleinen an der Hafenmole. Wir legen mit dem Dingi beim Yachtclub an und trinken erstmal einen kühlen Schluck an der Bar. In der Stadt schlägt uns brütende Hitze entgegen und der stinkende Verkehr zwingt uns über Strassen zu rennen. Von den Autofahrern erweckt keiner den Anschein, überhaupt zur Not anhalten zu können! Wir wundern uns über die grossen, roten Farbflecken auf und neben den Gehsteigen, an Hausmauern und über rot gefärbte Regenpfützen. Menschen lachen uns herzlich an. Ihre Zähne, Lippen und Münder leuchten in heller roter Farbe und plötzlich spuckt einer gleich neben uns rot und eklig in den Dreck. Endlich geht uns ein Licht auf: Die Leute hier lieben Betelnüsse und spucken die rot gefärbte Spucke aus!
Schöne, bunte Farbpunkte sind angemalte Abfallkübel und Laternenpfähle, die von den Anstrengungen zeugen, der Stadt ein farbenfrohes Antlitz zu verleihen. Die Chinesenläden scheinen alle die gleiche billige Ware feil zu halten und wir wundern uns, wie rege diese Läden besucht sind. Die nächsten Tage durchstöbern wir die einzigen beiden Supermärkte nach Delikatessen, wie zum Beispiel Mehl, Käse, Butter oder Eier sowie Ersatzteile für unseren Alternator der auf unserer Überfahrt defekt wurde. Wir haben zum Glück noch einen zweiten Alternator, der uns weiterhin genügend Strom für unseren Autopilot, Wasser-Entsalzungsanlage, Kühlschrank, Licht und diverse Pumpen liefern kann.
Im Supermarkt lernen wir die Schweizerin Heidi und ihre Familie kennen, die für ein Jahr auf den Salomonen leben. Durch sie erfahren wir viel Wissenswertes über Land und Leute und deren Probleme. Durch die schlimmen Unruhen zwischen den Inselbewohnern vor fünf Jahren wurde das Leben für die Menschen hier noch viel schwerer. Zudem stehen sie zwischen ihren fast vergessenen Traditionen, meist im engen, kirchlichen Umfeld und der modernen, westlichen Zivilisation unsicher da.
Malaria ist ein grosses Problem in Honiara und bei uns Yachties wird fast die Hälfte nach nur wenigen Wochen Aufenthalt auf den Salomonen als positiv getestet. All dies ist für uns Grund genug, möglichst schnell weiter Richtung Westen zu reisen. Wir lassen uns im medizinischen Zentrum vor unserer Abreise auf Malaria-Parasiten testen, sind aber alle zum Glück negativ. Unser nächstes Ziel ist die Marovo Lagune in der „Western Province“ der Salomonen. Die Segeltour dorthin verläuft wie (inzwischen fast) üblich: sehr stürmisch! Dieses Mal verbiete ich sogar den Kindern ins Cockpit zu kommen, aus Angst sie könnten sich verletzen oder gar aus dem Cockpit über Bord fliegen! Andi stellt beim Abstellen des Motors fest, dass unser zweiter Alternator anfängt zu glühen und damit nun auch defekt ist! Über Funk nehmen wir Kontakt auf mit der Yacht „Dolphin Queen“. Sie liegt in Honiara und verspricht, für uns einen kleinen, chinesischen Benzingenerator zu kaufen und zu uns in die Marovo Lagune bringen. Wir hoffen, damit unsere Batterien zur Not und bis zur möglichen Reparatur der Alternatoren genügend laden zu können.
Marovo Lagune – Auf der Liste für das Weltkulturerbe
Du hast noch nie von der Marovo Lagune gehört? Wir vorher auch nicht. Dabei ist es eine der schönsten und grössten Doppel-Riff-Lagunen der Welt. Hunderte von kleinen, einsamen Inseln liegen gut geschützt hinter den Riffen und laden ein, wunderbare Tauch- und Schnorchelgebiete zu erforschen. Es ist so einmalig, dass es als Weltkulturerbe vorgeschlagen war. Da jetzt aber grosse Teile des Gebietes den malaysischen Holzfällern zur Rodung freigegeben worden ist, wurde der Antrag zurück gestellt.
Auf gutem Sandgrund lassen wir den Anker in einer kleinen, smaragdgrünen Bucht nur 5 m tief fallen, geben viel Kette und lassen ihn eingraben. Weisse, kreischende Kakadus, rot schillernde Papageien und sogar Hornbill-Vögel fliegen schimpfend über unsere Köpfe hinweg. Fischschwärme springen aus dem Wasser und glänzen silbern im Sonnenlicht. Bald paddeln die dunklen Einheimischen in ihren Kanus auf uns zu und fragen freundlich nach unserem Wohlergehen, stellen sich vor und möchten uns ihre Schnitzereien zeigen. Fein gearbeitete Schüsseln, Masken und Meerestiere aus Eben-, Rosenholz oder Kokospalme mit Perlmutter-Intarsien werden hier aufwändig geschnitzt. Wir vereinbaren, dass sie nach dem Sabbat am Sonntag (Die Menschen hier zählen sich zu den 7th Adventisten und feiern den Ruhetag am Samstag) an Land einen Markt veranstalten und wir uns so alles in Ruhe angucken und später auf dem Schiff den Preis verhandeln können.
Der Wind bläst kräftig und entsprechend kräftig zieht die Strömung an unserem auf 3 m liegenden Anker, so dass die Ankerkette immer wieder am Bug klopft. Während der zweiten Nacht ist es um halb zehn plötzlich ganz still. So still, dass Andi aufwacht und einen Kontrollgang ins Cockpit macht. „Steffi, steh auf wir driften“, lässt mich aufschiessen und ins Cockpit eilen. Die Nacht ist dunkel und kein Mond oder Sterne erhellt sie. Aber es ist klar, das wir nicht mehr in unserer Bucht sind und zwischen den Riffen und Inseln driften. Mit Hilfe des GPS und des Kompass versuchen wir auszumachen, wo wir sein könnten und wo wir geankert hatten. Da erkennen wir plötzlich im Dunkeln ein Schiff, das direkt auf uns zufährt. Wer kann das sein? Wir funken es an, erhalten aber keine Antwort. Weil wir das rote und grüne Positionslicht sehen, wissen wir sicher, dass es genau auf uns zuhält. Natürlich haben wir in der Aufregung noch kein Positionslicht angemacht, er kann uns also nicht sehen. Sofort schalten wir alle unsere Lichter ein und funken ihn nochmals an. Zum Glück nimmt er uns wahr, ändert seinen Kurs und zieht an uns vorbei. Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen! Doch wo zum Teufel sind wir bloss! Andi ruft nach dem Scheinwerfer. Im hellen Scheinwerferlicht sehen wir dann gleich noch ein langes, riesiges Geisterschiff, beladen mit langen Baumstämmen, unbeleuchtet und still an uns vorbei ziehen. Meine Knie werden weich, was geht in dieser Lagune nachts bloss vor sich? Der GPS zeichnet den Fahrtweg grafisch auf, so dass Andi zurückverfolgen kann, wie wir gedriftet sind. Ein blinkendes Licht scheint uns aus dieser Richtung ein Signal zu geben. Oder ist es Zufall? Wir antworten mit unserem Scheinwerfer und erhalten wieder ein blinkendes Signal. Tatsächlich hat jemand im Dorf gemerkt, dass wir Probleme haben. Wir steuern nach dem GPS auf das Licht zu. Ein Mann sitzt im Kanu und gibt uns mit der Taschenlampe Signale! „Keine Sorge“, meint er, „ich kenne jeden Stein in dieser Bucht und bringe euch an einen besseren Ankerplatz“. Tatsächlich lotst Milton uns in stockdunkler Nacht sicher durch die Riffe zwischen Inseln hindurch an einen geschützten Ankerplatz gleich hinter einem Riff und Sandbank. Zusammen trinken wir auf diesen Schreck noch eine Tasse heissen Tee und legen uns nach Mitternacht endlich wieder in unsere Kojen.
Am Sonntagmorgen besuchen wir den eigens für uns arrangierten kleinen Markt am Strand mit wirklich schönen Kunstarbeiten aus Holz. Besonders die schönen Kanus und Schalen gefallen uns gut. Und mit unseren vielen westlichen Sachen, die man nicht unbedingt beim Segeln braucht, Kinderkleider und -schuhe, Spielsachen, Schnorchelzeugs und mehr haben wir gute Tauschware und können die Ware zu moderaten Preisen erstehen. Ich wusste gar nicht, wie anstrengend feilschen sein kann, jedenfalls sind wir alle nachher müde und haben viel einzuräumen. Auch unsere Handelspartner scheinen zufrieden zu sein und die nächsten Tage verbringen wir beim Schnorcheln und Baden im hüfthohen Riff, das aussen nach 30 m steil in die Tiefe hinabfällt. Gefahrlos können wir vom Ufer aus eine phantastische, intakte Unterwasserwelt erforschen und treffen sogar auf Riffhaie, was besonders den Kindern sehr imponiert.
„Dolphin Queen“ ist inzwischen eingetroffen und bringt unseren neuen mobilen Generator mit. Andi probiert den Generator gleich aus. Das Ladeergebnis lässt zu wünschen übrig und schliesslich funktioniert auch der Batterielader nicht mehr. So montiert Andi wieder den ersten Alternator, den er so reparieren konnte, dass er wenigstens ein wenig in die Batterie lädt. Jetzt heisst es noch mehr Energie sparen und abends als Ankerlicht die Petrollampe anzünden. So sitzen wir in nächster Zeit nach Einbruch der Dunkelheit gemütlich bei Kerzenlicht, reden miteinander und gehen früh zu Bett. Hoffentlich können wir den Alternator in Gizo reparieren lassen! Die Solarpanele auf unserem Cockpitdach erzeugen bei schönem Wetter genügend Energie, um allenfalls den Autopiloten einzusetzen, doch auf den Kühlschrank und den Computer müssten wir fortan verzichten. Zudem regnet es hier fast jeden Tag, der Himmel ist bewölkt, so dass wir nicht viel Sonnenenergie laden können.
In gemütlichen Tagesetappen reisen wir durch die smaragdgrüne Lagune, zwischen steinigen, grün überwucherten Inselchen hindurch und ankern vor abgelegenen einfachen Dörfern, wo wir frisches Gemüse und Früchte tauschen und kaufen. In der VonaVona Lagune feiert Yanik seinen 9. Geburtstag fern seiner Heimat mit einem einzigen Geschenk, einer chinesischen Lego-Kopie eines Kriegsschiffes, das überhaupt nicht zusammen passt. Trotzdem geniessen wir den weissen Sandstrand zusammen mit vier weiteren Seglerkindern, essen Fisch und Chips im Restaurant und außerdem gibt es auf der mit Ballonen geschmückten „Muscat“ einen Limonenkuchen, der sogar Kerzen drauf hat!
Schließlich kommen wir nach Gizo, dem Hauptort der Western Provinz der Salomonen. Auf den ersten Blick sehen wir ein kleines Dorf, das eher einem Ort im „Wilden Westen“ gleicht, als einem zentralen Hauptort einer grossen Region. Deshalb bezweifeln wir, dass es Ersatzteile für den Alternator und den Aussenborder, geschweige denn eine Fachperson geben wird oder dass wir in den Chinesenläden Delikates angeboten bekommen. Doch beim näheren Hingucken und Durchstöbern aller Angebote entdecken wir in den Läden an der staubigen, kleinen Hauptstrasse sogar frisches Brot, Corn Flakes, Eier, Pouletteile, Mehl, Rosinen (bis jetzt noch ohne Käfer), Zwiebel und Kartoffeln und einige leckere Konserven. Für den übernächsten Tag ist sogar Käse angekündigt, der per Flugzeug eingeflogen wird. Der Aussenborder ist am zweiten Tag bereits geflickt (neues Gummistück zwischen Propeller und Welle). Sogar einen Experten für unseren Alternator finden wir, doch sei der Alternator nicht mehr zu reparieren.