Fiji – Vanuatu

Leinen los
Bula! Ein neues Lebenszeichen aus der Südsee. Die letzten Tage in Fiji sind angebrochen. Inzwischen ist es bald Ende Mai. Andi und Fabien sind wieder genesen, Fabien auch von seinen tiefen Schürfwunden an Händen, Beinen und Füssen, als er ungewollt entlang der Hafenmauer ins dreckige Wasser der Marina fiel. Ausser der empfindlichen Schiffselektronik, die zu unserer grossen Überraschung nach der langen Standzeit ausgezeichnet funktioniert, gibt es keine technische Installation mehr, die Andi seit Ende April nicht überholt hat oder ersetzen musste.

Damit wir unseren Zeitplan ungefähr einhalten können, müssen wir spätestens Ende Mai aus Fiji ausreisen. Die Zeit wird knapp. Ausserdem haben wir uns mit den Zollbehörden auf eine zahlbare Einfuhrsteuer für die Muscat zu einigen, da sie statt der maximal erlaubten 1½ Jahre, zwei Jahre in Fiji war und somit 37 %(!) Einfuhrsteuer auf ihren Wert fällig wären. Diese zahlen zu müssen, würde das sofortige Ende unseres Vorhabens bedeuten. Selbstverständlich hatten wir uns vor Ablauf der erlaubten 1½ Jahre mit der Marina in Verbindung gesetzt, doch mussten wir uns im Vertrauen auf ihre mündliche Zusage, dass dies als pro rata Zahlung günstig und einfach erledigt werden könne, verlassen. Auch hier vor Ort ändert sich diese Aussage nicht gross, wenn dann alles repariert sei, werden wir schon sehen. Die nachfolgende Rennerei zu den zuständigen Ämter zu beschreiben, wäre wohl hier zuviel des Guten. Andi rennt ca. 3 Tage von Amt zu Amt und Büro zu Büro. Schliesslich ist alles bar an einem Schalter bezahlt und sogar der steuerfreie Diesel beantragt, bewilligt und getankt. Jetzt fehlt uns nur noch die persönliche Freigabe durch die Einwanderungsbehörde (Immigration) und den Zoll. Am Pier eröffnet uns die Zollbehörde vor Ort, dass sie Samstag, Sonntag und am Montag, der ein Feiertag sei, nur gegen hohe Überzeitgebühren arbeiten. Ferner wäre es am heutigen Freitag schon zu spät, das Land rechtzeitig zu verlassen. Zähneknirschend verschieben wir unseren Ausreisetermin auf Dienstag, 31. Mai. Dann müssen wir aber unbedingt ausreisen, andernfalls wird wieder eine pro rrata Einfuhr-Gebühr für den Monat Juni fällig und die ganze Behördenrennerei würde von vorne beginnen.

Statt noch weitere drei Tage in der öden Marina zu verweilen, werfen wir die Leinen los und wagen uns mit dem zollfreien, getankten Diesel, ganz im Vertrauen, dass diese Zollbehörde über ihre Freitage wirklich nicht arbeitet aus dem Hafen. Wir segeln zu der Waya Insel, die zur Yasawa Inselgruppe im Nordwesten Fijis gehört. Es hat wenig Wind und Andi nutzt die Gelegenheit, um Yanik und Fabien das setzen der Segel zu zeigen und alles zu testen. Nach nur vier Stunden werfen wir den Anker vor den kleinen Ort Yalombi und wollen gleich im klaren, warmen Wasser schwimmen. Fabien rutscht dabei unglücklich aus, schlägt sich sein Kinn an der Winsch auf und hat eine lange und tiefe Schramme am Kinn, die eigentlich genäht werden sollte. Ich klebe die Wunde, so gut es geht mit Wundnahtstreifen (Steri Strips) zusammen, doch das Baden muss er aufschieben.

Fiji besteht aus mehr als 300 Inseln, von denen die meisten von touristischen Einflüssen unberührt sind. Es gibt eine Reihe alter Traditionen, die noch sehr lebendig sind. So ist es üblich bei einem Dorfbesuch dem Häuptling einen Bund Kava als „Sevusevu“ (Geschenk) zu überreichen und ihn gleichzeitim um Erlaubnis zu fragen, ob wir uns im Dorf aufhalten dürfen. Der Bund Kava – die getrockneten Wurzeln der Pfefferpflanze – wird zerstampft. Daraus entsteht Pulver, das in einem strengen Ritual mit Wasser angerührt wird. Es ergibt eine trübe, bräunliche Brühe. Anschließend wird Kava in einer genau beschriebenen Zeremonie von allen Beteiligten, die in einer großen Runde sitzen, getrunken.

Am Strand werden wir herzlich von Dorfbewohnern begrüsst und sofort zum Häuptling geführt. In seiner Hütte setzen wir uns vor ein grosses Bett mit vielen farbigen Kissen auf den Boden. Langsam richtet sich ein sehr alter, knochiger Häuptling auf. Er mustert uns lange und sehr ausgiebig. Dann übergibt ihm Andi mit beiden Händen das Gastgeschenk und fragt um Erlaubnis, drei Tage Gast im Dorf zu sein. Der alte Häuptling erkundigt sich nach unseren Namen, Alter, Herkunft und unsere Reise und mustert uns wieder lange. Es ist ganz still. Schliesslich klatscht er in die Hände und setzt zu einem monotonen Gesang an, begleitet von seinem rhythmischen Klatschen. Ich höre mehrmals „Bula“, also „Willkommen, lasst es uns allen gut gehen“ und „Vinaka“ (Danke) aus dieser uns so fremden Sprache. Er heisst uns herzlich willkommen und erlaubt uns offiziell Gast in seinem Dorf zu sein. Wir verlassen die Hütte erkundigen uns bei den draussen wartenden Bewohner nach den Familien, für die wir Briefpost aus der Schweiz haben und die wir gerne besuchen möchten. Diese Post öffnet uns viele Türen und die nächsten zwei Tage geniessen wir in freundschaftlicher und familiärer Atmosphäre. Gemeinsam besuchen wir am Sonntagmorgen den Gottesdienst, essen ein Mittagessen, bestehend aus Fisch, Tarowurzel und in Kokosmilch gekochtem, grünen Gemüse mit Meeresfrüchten.

Leider müssen wir die wunderschöne, grüne Insel mit ihren herzlichen Bewohnern am Montag schon wieder verlassen, da wir uns Schwierigkeiten mit den Zollbehörden ersparen wollen. Zum Abschied werden wir reichlich beschenkt mit feinen Papayas, Kassawawurzeln (kartoffelähnliches Gemüse), Limonen und Kokosnüssen aus ihren Gärten.

Zurück in der Marina erscheint am Dienstagmorgen nur der Herr von der Einwanderungs¬behörde, aber nicht die Beamtin vom Zoll. Sie wird noch von einer weiteren Yacht erwartet und dieser Skipper sorgt dann auch dafür, dass die Dame innerhalb kürzester Zeit auftaucht. Die Prozedur ist langwierig und als die Beamtin hört, dass wir bereits den zollfreien Diesel getankt haben fängt wieder eine grosse Diskussion an. Eigentlich hätte während dem tanken jemand vom Zoll dabei sein sollen. Danach müsse man sofort ausreisen. Da Shell und der Händler telefonisch von Zollbüro die Freigabe des Diesels zugesagt hatten, war er bereits getankt. Es gab eine heftige Diskussion, aber schliesslich hatten beide Yachten die erforderlichen Stempel zur Ausreise.

Schnell verziehen wir uns auf das Schiff, schlucken vorsichtshalber eine Reisetablette gegen Seekrankheit und stehen bereit, die Leinen los zu werfen, um endlich Richtung Süd-West zur vulkanischen Insel Tanna der Ripublik blong Vanuatu (bis 1980 hiess es noch Neue Hebriden) zu segeln. Da stellen wir fest, dass der Wind inzwischen sehr stark aus Süden weht.

Auch ein besorgter Yachtie aus der Marina rät uns dringend davon ab, bei diesem Starkwind loszusegeln. Wir schauen uns fragend an, bis ich meine, dass wir auf unserer bisherigen Reise mit der Weisheit „Eile mit Weile“ besser gefahren seien. Bei Nichtbeachten hatten wir meist ungemütliche oder teure Stunden. So beschliessen wir, uns nicht zu einer Unbedachtheit verleiten zu lassen und verschieben unsere Abreise mit schwerem Herzen um einen weiteren Tag. Andi fragt im Marinabüro nach, ob wir noch einen Tag verweilen können. Wir bekommen grünes Licht, denn der Zoll ist nun weg und die Marina würde uns nichts für die zusätzliche Nacht berechnen. Yanik und Fabien sind sehr enttäuscht und glauben nicht mehr daran, dass wir jemals abreisen würden.

Am nächsten Morgen, Mittwoch, 1. Juni 2005 ist es endgültig soweit, wir fahren los. Zuerst drei Stunden lang unter Motor bis zum Riff hinaus. Unterwegs begleiten uns zu unserer grossen Freude Delfine. Dann setzen wir unser Vorsegel mit einem Reff. Damit alleine erreichen wir bei 18 – 25 Knoten Wind die enorme Geschwindigkeit von 5 – 8 Knoten (ein Knoten = 1 Seemeile = 1.852 km). Wir haben eine hohe Dünung aus Südwest und starke lokale Wellen aus Süd (Kreuzsee). Wellen brechen sich an Muscats Seite, Gischt spritzt ins Cockpit und es schüttelt uns arg durch. Floris und Andi werden seekrank. Welch ein Auftakt! Nebst Unwohlsein macht sich leises Heimweh bemerkbar und Zweifel an unserer Vernunft. Was konnte uns Landeier nur bewegen, uns wieder auf das Meer zu begeben? Meinen Frust lasse ich mit lautstarkem Singen in der Kombüse ab. Dieser Seegang begleitet uns für die ganze Fahrt. Erst nach zwei Tagen haben wir uns einigermassen daran gewöhnt und wir beginnen das Seeleben zu geniessen. Wir erzählen uns Geschichten, versuchen vergeblich den Köder zu basteln, der einen Fisch zum anbeissen verführen soll, öffnen unsere Fiji-Kokosnüsse, versuchen einigermassen schlafen zu können und geniessen einfach das segeln.

Nach 5 Tagen auf hoher See kommen wir am frühen Morgen bei merklich kühleren Temperaturen und Regen in der Bucht von Port Resolution an. Dunkle Melanesier paddeln mit ihren Kanus in der Bucht, aus den üppig überwucherten Hängen, in denen der Nebel hängen bleibt, erklingen schallende Rufe von Unsichtbaren. Dampfwolken heisser Quellen steigen aus Felsspalten auf. Die Mythik Vanuatus nimmt uns gefangen. Ein Land von besonderer, ursprünglichen Natürlichkeit, in dem die Menschen das Faszinierendste sind.

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