Gibraltar – Lanzarote, Kanarische Inseln, Kap Verden
Der Westwind rüttelt an den Wanten, die Temperaturen liegen während des Tages über 10 Grad, doch empfinden wir den durch alle Kleidung dringenden Wind immer mehr als unangenehm und möchten alle gerne beim nächsten idealen Ostwind so schnell als möglich weiterziehen. Davon hält uns auch keine romantische Weihnachtsstimmung mehr ab. Wir erwarten noch unbekannten Besuch aus der Schweiz. Ursi und Theo haben von unserer Gästkoje erfahren und möchten während Ihren Ferien mit uns die Übersegelung zu den kanarischen Inseln in Angriff nehmen.
Am 2. Dezember hat der Ostwind hat eingesetzt, ideale Stärke. Auf der Muscat herrscht Hochbetrieb: nähen, sägen, hobeln, montieren, organisieren, waschen. Es klopft, wir freuen uns, Ursi und Theo an Bord begrüssen zu dürfen. In einer gemütlichen Runde wird alles geregelt und so sind wir zwei Tage später „klar Schiff“ nach Lanzarote, Kanarische Inseln. Neugierig und gespannt fahren wir pünktlich 3 h nach Hochwasser mit der an der Europaküste einsetzenden Ostströmung in die berühmte Strasse von Gibraltar. Hier ist also Europa und dort, kaum zu glauben, Afrika! Wir kommen gut vorwärts, der Schiffsverkehr hält sich in Grenzen, es dunkelt. Um 21 Uhr haben wir die Position erreicht, um die Strasse zu überqueren. Inzwischen hat es aber Verkehr gegeben, ein Tanker hinter dem anderen zieht in der Mitte der Meerestrasse an uns vorbei. Sind wir wirklich schnell genug, um diese riesigen Schiffe rechtzeitig passieren zu können? Wir beobachten auf dem Radar genau den Schiffsverkehr, weil man mitten in der Nacht die Geschwindigkeit der grossen Schiffe nur schwer einschätzen kann. Da eine grössere Lücke, wir pirschen uns ran, dann ein kurzer Entschluss und dazwischen durch. Geschafft. Die Tanker ziehen alle gegen Nordwesten, wir gegen Südwesten.
Es ist schon spät. Die Vernunft lässt mich in die Koje schlüpfen, schliesslich stehen uns 5 Tage Wache auf hoher See bevor. Unsere Wacheinteilung sieht einen 3-Stunden-Rhythmus ab 18.00 Uhr bis 06.00 Uhr vor, während des Tages einen 4-Stunden Rhythmus. Es ist 03.00 Uhr, ich höre lautes Rufen, Scheinwerfer blenden in die Kojen, nahes Motorengeräusch ist zu hören. Ich geselle mich zu Andi in das Cockpit. Die marokkanische Küstenwache kontrolliert uns, die Kommunikation ist aber sehr schwierig in englisch zu führen. Sie stellen uns etliche Fragen über Wohin und Woher, Crew, Schiff und so weiter. Dann fragt jemand: „Sprechen Sie französisch?“ „Ja klar!“ Sofort entspannt sich die Situation. „Sie haben Kinder an Bord?“ – „Zwei im Alter von 1 und 3 Jahren.“ – „Sind es Jungen?“ – „Ja, zwei Jungen.“ „Zwei Jungen? Toll! Ich habe auch Kinder! Ja, dann wünschen wir Ihnen eine recht gute Reise.“ – „Vielen Dank und auf Wiedersehen!“ Wir schmunzeln.
Ein wunderschöner Tag bricht an. Das Land ist inzwischen ausser Sicht. Wir segeln bei mässigem Wind oder motoren durch die Flaute. Mit Ärger stellen wir fest, dass uns die Küstenwache unsere Angelleine überfahren hat und unseren einzigen Köder im Meer versenkt hat. Das tut unseren guten Laune aber nur wenig an. „Wie wär’s mit einem Jass auf hoher See?“ Klar, die Kinder schlafen wieder wunderbar, so haben wir Zeit und Musse. Ab und zu ein Kontrollblick hinaus in die Weite und auf den Kompass, so führt uns unser Autopilot getrost über’s Meer. In der Ferne zeichnen sich kleine Punkte ab. Kaum zu glauben, da gondeln afrikanische Fischer in einfachen Holzbooten weit weg vom Land auf dem Meer herum! Im Boot brennt ein Feuer, darauf brutzeln Fische. Die Männer sind von der Sonne braun gegerbt, mit farbigen, um den Kopf gewickelten Tüchern in einfacher Kleidung. Sie bieten uns Fisch an. „Ja, gerne!“ Mir stockt der Atem. Diesen Fisch kenne ich doch. Auf diese Metzgerei mit anschliessender Fischsuppe habe ich wirklich nicht allzu grosse Lust. Lieber hätte ich eine zarte Makrele oder ähnliches. Doch ich lasse mich überzeugen, ein frischer Fisch auf hoher See, dagegen gibt es nichts einzuwenden. Die Verhandlungen beginnen. Gegen eine Flasche Rotwein wechselt der lange Fisch die Hand. Plötzlich zaubern die Fischer noch andere bessere Speisefische hervor! Für ein Käppli für jeden wechseln auch zwei diese hervorragenden Fische die Hand. Wir freuen uns auf das feine Gericht.
Einige unserer Jasskarten haben sich bei den Verhandlungen ins Meer verflüchtigt. Inzwischen sind wir aber schon eingefleischt und da die Jassbilanz immer fast ausgeglichen ist, jassen wir jeden Abend im gemütlichen warmen Salon. Unsere treue Muscat segelt bei regelmässigem Nord-Ost, Windstärke 12 – 20 kn selbständig über’s Meer, nach jeder Jassrunde kontrollieren wir Position und die Umgebung auf allfälligen Verkehr, doch es ist nur selten ein anderes Schiff auszumachen. Einzig den Schlaf finden wird ab und zu schwierig bei der rollenden Schiffsbewegung.
Lanzarote
Die Jassbilanz ist auch am sechsten Tag wieder ausgeglichen, als Land in Sicht ist. Wir legen in La Sociedad auf der kleinen Insel Graciosa, nördlich von Lanzarote in einem kleinen Hafen mit wenig Infrastruktur, doch mit der Möglichkeit Süsswasser zu bunkern, gebührenlos an. Graciosa ist eine kleine Sandinsel aus der in der Mitte ein klassischer Vulkankrater emporragt. Wir geniessen den verlassenen Sandstrand, oder besser, an Meer angrenzende Sandlandschaft, die geradezu zum baden, wandern, und velofahren (Velovermietung gibt es im Ort) einlädt. La Sociedad ist ein kleiner Fischerort, ganz im Stile vom international bekannten Architekten und Künstler César Manrique gebaut. Die Behörden auf Lanzarote (dazu gehört auch La Graciosa) erliessen strikte Bauvorschriften für Feriensiedlungen. Alle Häuser sind niedrig (max. 2 Stockwerke), weiss mit blauen oder grünen Fensterrahmen und Türen. So sind auch die Appartementsüberbauung für zukünftige Touristen, kleinen Restaurants, Läden und sogar eine Disco in La Sociedad ganz im anmutigen Stile von César Manrique gebaut,.
Mitten im Hafen steht eine 17m Reinke und wo eine Reinke gebaut wird, ist wahrscheinlich auch ein Aluminiumschweissgerät für die Reparatur unseres zerbrochenen Mastkorbes vorhanden. Ich mache mich morgens auf die Suche nach den Schiffsbauern. Trotz Werktag ist niemand beim Schiff zu finden. Ich geselle mich zu den auf einer Bank sitzenden, schwatzenden Fischerfrauen mit ihren Strohhüten und erkundige mich nach den Schiffsbauern. Ja, die wohnen im Appartement gleich neben dem Arzt. Aha, den Arzt werde ich ja wohl finden, schliesslich ist es ein kleiner Ort. Ich spaziere also los. Nirgends eine Tafel, die auf den Arzt hinweist. Doch finde ich einen Supermarkt und davor zwei hochgewachsene helle Männder. „Sprechen Sie deutsch?“ – „Ja.“ – „Gehören Sie zur Reinke im Hafen?“ „Ja, genau!“ Ich juble innerlich. „Wir haben die Reinke 13m dort drüben im Hafen.“ – „Ja, die haben wir schon gesichtet!“ Wir tauschen Informationen aus, wie geht’s und steht’s und ich lade Sie auf unser Schiff ein, das weitere kann dann Andi regeln.
Einen Tag später haben wir einen von Andi robust geschweissten Mastkorb an Deck montiert. Wir sind überglücklich, denn eine Reparatur in Gibraltar wäre uns sehr teuer gekommen. Doch was macht diese grosse Reinke 17m mitten im Hafen von La Sociedad? Wir erfahren, dass die „Triton“ vor 2 Jahren in einer Bucht vor Isla Graciosa vor Anker lag. Ein starker Süd-Westwind zog unverhofft auf und schob die „Triton“ auf das Riff zu. „Triton“ setzte einen Notruf ab, doch die Seenotrettung von Lanzarote konnte bei dem starkem Wellengang nicht auslaufen, um Hilfe zu leisten. „Triton“ strandete und erlitt einen Totalschaden. Zwei Monate lang lag das Wrack wegen dem anhaltenden Südwestwind auf dem Riff. Die Eigner erhielten die Versicherungssumme für den Totalverlust und kauften das Wrack von der Versicherung zurück. Jetzt haben Sie die aufgerissene Rumpfschale repariert, das Holz innen abgeschliffen und neu lackiert und wollen in 2 Monaten auch wieder weitersegeln.
Lanzarote ist unser nächstes Ziel. Heute noch kocht und brodelt es auf dieser schwarzen Insel. Im Jahr 1730 brachen Vulkane aus, deren Aktivitäten in den nächsten 6 Jahren die Insel in Schutt und Asche legten. Vulkane explodierten, die 100 kleine Ortschaften unter Lavamassen begruben. Wir legen im schönen modernen Hafen von Puerto Calero an und mieten uns für die nächsten zwei Tage ein Auto. Die Landschaft fasziniert mich. Riesige Lavamassen türmen sich auf. Inmitten dieser kargen (Mond)-Landschaft pflanzen die Einheimischen Reben, Gemüse und Früchte an. Es ist kaum zu glauben, dass dieser karge Boden fruchtbar ist. Er wird mit Lavasteingranulat dick bedeckt. Dieses Granulat nimmt während der Nacht die Feuchtigkeit auf. Alte Pneu’s, rustikale Steinmäuerchen oder einfache Bretterverschläge verhindern, dass der Wind das Granulat oder gar das Pflänzchen wegweht. So steht jede Pflanze in ihrem „persönlichen“ Krater und wird gehegt und gepflegt. Natürlich lassen wir uns eine Weindegustation nicht entgehen und kaufen 3 Flaschen von unserem Hauswein (äh Schiffswein) Moscatel.
Der Kaktusgarten wurde von César Manrique gestaltet. Der Garten ist von einer dicken Basaltsteinmauer umgeben, wie ein Amphitheater gestaltet, stufenweise abfallend und beinhaltet eine Sammlung von mehr als 1’400 Sukkulenten und Kakteen in allen möglichen Formen und Grüntönen. Er liegt in der Gegend der Koschenillenlauszucht. Diese Laus wird auf der Kaktee „Opuntie“ gezüchtet. Sie lebt unbeweglich, festgehakt in die Kaktee und saugt deren Saft aus. Im Sommer werden diese Läuse mit einem Spachtel geerntet und zur roten Färbung von z.B. Getränken, Medizin, Lebensmittel, Kosmetika, etc. verwendet.
Am nächsten Tag besuchen wir den 200 km2 grossen Nationalpark Timanfaya (Lanzarote ist 805 km2 gross). Er war das Zentrum des Ausbruches von 1730 und ist vollständig mit Magmanitgestein bedeckt. Ein riesiges Lavameer breitet sich vor uns aus, mit eindrucksvollen Krater oder was noch davon übrigblieb, durchzogen von langen, tiefen Höhlen. Die Grösse der Insel Lanzarote wurde beim Vulkanausbruch 1730 erheblich vergrössert. Man stelle sich vor, wie die Vulkane brodeln, Rauch, Schlacke, Sand und Asche ausschleudern, ganze Dörfer und vormals fruchtbare Erde, Getreidefelder, unter der Asche versinken, glühende Lava ins Meer fliesst, wie es zischt, Dampfsäulen aufsteigen, die Atmosphäre sich verdunkelt und Rauch die Luft erfüllt. Die Zeugen dieser Katastrophe sind eindrücklich. Heute noch brodelt es dicht unter der Erdoberfläche, auf dem Berg Hilario können Grilladen direkt über der Erde zubereitet werden, in 10 Metern Tiefe herrscht eine Temperatur von 600 Grad Celsius.
Über Nacht segeln wir von Puerto Calero auf Lanzarote weiter nach Las Palmas, Gran Canaria. Wir lernen Karl, einen ca. 70jährigen deutschen, aktiven Rentner kennen. Früher war er Flieger, dann in der ganzen Welt tätig (Holzbau, -handel, etc.), heute noch für die Weltbank in Nicaragua, nebst seiner Beratungsfirma für Holzfragen. Es ist interessant und es ist lustig, ihm zuzuhören.
Hier besteht für mich die letzte günstige Gelegenheit innert wenigen Stunden nach Hause zu fliegen. Da wir mangels buchbaren Rückflugmöglichkeiten von der Karibik in die Schweiz (Millenium) immer noch keine Crew für die Übersegelung gefunden hatten, haben wir uns für eine gemeinsame Übersegelung in die Karibik entschieden. So verbringen Yanik, Fabien und ich hektische, anstrengende, aber sehr schöne Weihnachtstage in der Schweiz.
Andi ist in der Zwischenzeit in Las Palmas sehr aktiv, lässt das Achterliek von unserem Grosssegel nachschneiden, repariert und montiert. Natürlich kommt auch der Hafenklatsch nicht zu kurz. So ist bei meiner Rückkehr auch schon eine Übersegelungflotille zusammengestellt. Es ist schön, informativ und auch beruhigend, andere Yachten auf den Übersegelungen zu wissen, Wetterinformationen auszutauschen und im Notfall auf allfällige Unterstützung hoffen zu dürfen.
Markus und Adi
Ich schaue frühmorgens aus dem Fenster. „Guck mal, da ist ein Zimmermann.“ Kein Interesse von Andi. „Guck doch mal Andi, ein Zimmermann, dass wär doch was für die Übersegelung.“ Wenig Interesse von Andi. „Hörst Du mir überhaupt zu?“ Andi erhebt sich, schaut aus dem Fenster. „Wo?“ – „Da auf dem Steg natürlich, wo den sonst?“ – „Tatsächlich, ein Hamburger, ich dachte, Du siehst eine Spinne.“ („Ha ha“, denke ich). Andi zieht sich an, hangelt nach vorne und steht innert 5 Minuten wieder im Schiff. „Das war wohl absolut uninteressant?“ kommentiere ich. „Nee, es sind zwei Hamburger und sie ziehen in zwei Stunden bei uns ein.“ Ich hab mich wohl verhört, frage noch einmal nach, nein, es ist kein Witz. Andi hat innert 5 Minuten vereinbart, dass diese zwei fremden Burschen bei uns für die nächsten ca. 6 Wochen einziehen!! Wer sind die überhaupt?? Rauchen sie? Arbeiten sie? Bordkasse, Schlafplätze, Kindergeschrei, Familienknatsch…..
Ich kann es kaum glauben und entschliesse mich, bei dem kleinsten Nichtgefallen, sie sofort von Bord zu komplimentieren.
Tatsächlich tauchen zwei junge Burschen von 20 und 24 Jahren bei uns auf. Wir besprechen die Lage, sie sind sympathisch, fast Nichtraucher, arbeitswillig für Holzarbeiten am Schiff, wie auch überall, wo eine Hand gebraucht wird. Eben „Hand gegen Koje“. In den nächsten Tagen wird gehämmert, geschraubt und gebohrt, was das Zeug hält. Auch beim Abwasch, WC-putzen und anderer nicht attraktiven Arbeiten sind sie da. Ich glaube, wir haben Glück gehabt.
Wir verabschieden uns von unseren Seglerbekannten im Hafen und machen uns auf den Weg nach Puerto Mogàn im Süden Gran Canaria, um die Hööloplopp, Schoggelgaul und Harlekin zu treffen und die gemeinsame Übersegelung zu den KapVerden in Angriff zu nehmen. Eigentlich bestand ich darauf, diesen ersten (10stündigen) Schlag am Tag vorzunehmen, doch die 3 Männer überzeugen mich von einer Nachtfahrt, während der ich kuschelig warm und gemütlich schlafen könne. Wir fahren also am späten Nachmittag los und ich verdrücke mich schon bald in die Kombüse um ein Nachtessen vorzubereiten. Schnell merke ich, dass ich nicht mehr so seefest bin, schon gar nicht in diesem Seegang. Als das Abendessen bereit ist, ist mir schlecht. Der Seegang macht uns allen zu schaffen, Stunden später füttere ich die Fische. Ich lege mich in meine Koje und bin froh, dass die Männer die Nachtfahrt alleine machen wollen. „Steffi, komm rauf“, hallt es durch das Schiff, „das Ruder funktioniert nicht richtig!“ ruft Andi. Wie bitte? Die Hydraulikpumpe vom Autopilot verliert Öl. Das Ruder hat keinen Widerstand mehr, das Schiff wird fast manöverierunfähig. Andi übergibt mir das Ruder und obwohl auch ihm der heftige Seegang zu schaffen macht, überprüft er kopfüber die Pumpe. Eine der beiden Schrauben, welche den Pumpenkopf am Pumpenmotor festhält, ist herausgefallen und in der Bilge verschwunden, während sich die andere Schraube um 5 mm gelöst hat. Weil wir keine passende Schraube haben sägt Andi eine längere ab und schraubt das Ganze wieder zusammen. Nachdem er noch Hydrauliköl nachgefüllt hat, fahren wir unter Motor 2 Stunden zurück, gegen Wind und Wellen in den nächsten Hafen von Tagliarte. Morgens um 03.00 Uhr legen wir längsseits an einem alten Fischerkutter an. Sofort stehen zwei private Sicherheitsleute da, die uns wieder ausweisen wollen.Wir machen ihnen klar, dass das wegen einem Ruderschaden nicht möglich ist und geben unsere Pässe ab, welche wir eine 1/2 Stunde später wieder erhalten. So stehen wir wieder zeitig auf, Andi überprüft nochmals die Hydraulik, Adi und Markus bringen das Schiff auf Vordermann und ich und Yanik machen uns auf, um 5 Liter Hydrauliköl bei den Fischern aufzutreiben. Kaum sind wir über den alten Fischkutter geklettert und auf der Mole, springt uns eine bewaffnete Sicherheitsperson an und weist uns auf das Schiff zurück. Ich erkläre mein Problem und darf dann weiter. Alle Fischer auf der Mole werden aber weggebeten. Strenge Sitten hier. Tatsächlich habe ich bei den Fischern Erfolg. Ich schleiche mich mit dem Motoroel aus dem Hafen zu einer Telefonzelle, um die wartenden Segler in Puerto Mogàn zu informieren. Mit Yanik an der Hand fühle ich mich ein bisschen freier und sicherer und betrete das Hafengelände wieder ohne Probleme. Am Nachmittag sind wir bereit und fahren mit einer funktionierenden Ruderanlage, aber ohne Autopilot bis Puerto Rico, dem nächsten Hafen, kurz vor dem Zielhafen Puerto Mogàn.
Da die Hydraulikpumpe noch Öl verliert, müssen wir die Übersegelung zu den Kap Verden verschieben. Zuerst müssen der neue O-Ring und die Schrauben aus der Schweiz ankommen. So haben Yanik, Fabien und ich Zeit und Musse den Sandstrand zu geniessen.
Es ist kaum zu glauben, wieviele Leute sich mitten im Januar an Puerto Rico’s Strand tummeln!! Wir finden noch eine kleine Ecke vorne an der Wasserfront, doch müssen wir uns in der nächsten halben Stunde wegen der Flut verziehen und nehmen halt neben der Mülltonne Platz. Puerto Rico ist zu 100 % auf Touristen aus Skandinavien ausgelegt, Tausende von Appartemente sind in die kahlen Berge gebaut, ein grosses Shoppingcenter erleichtert uns das Bunkern, ein grosser Spielplatz erfreut Yanik, es hat alles, was ein „Touristenherz“ für eine Woche begehrt. Hier erfahre ich an unserem Transocean Stützpunkt, dass die Sicherheitsleute in Tagliarte eigenmächtig handeln und ziemlichen Unmut auf der Insel mit dem Verbot für Yachten, wie auch für Besucher auslösen.
Die Wetterprognose ist gut, die Hydraulikpume wieder dicht, wir tanken auf und machen uns auf zu den Kapverdischen Inseln. Der Wind ist ideal, mal mehr, mal weniger, die Sonne scheint, trotzdem ist es kalt. Hell scheint der angehende Vollmond, phosphorierende Quallen, Fische und Plankton ziehen vorbei, Delfine begleiten uns. Ein Thunfisch beisst an, wir geniessen ein wunderbares Essen mit dem frischen Fisch.
Die Überfahrt ist rumplig und anstrengend, am ersten Tag fällt der Autopilot alle 15 Minuten aus, später pendelt er sich ein, fällt ab und zu noch aus, wir lassen ihn nicht mehr aus den Augen. Wir sind froh, dass Adi und Markus an Bord sind, die Wache fällt leichter und es ist auch lustiger. Mit uns zusammen sind noch drei andere Yachten unterwegs. Zwar haben wir keinen Sichtkontakt, aber 2 mal Täglich vor den Wetterprognosen unterhalten wir uns zusammen über den Kurzwellenfunk und teilen unsere Position der Ingrid auf der Harlekin mit. Ingrid hat die Amateurfunklizenz und übermittelt unsere Positionen wiederum an die Funker von Intermar weiter. Das ist ein Amateurfunkverein in Deutschland, der die Seglern weltweit mit Wetterberichten usw. unterstützt. So erhalten wir immer ganz genaue Wettervorhersagen für bis zu 4 Tage im Voraus.
Am Abend des siebten Tages ist es schliesslich soweit: Land in Sicht. Kaum als Land auszumachen und leicht zu verwechseln mit dem Wolkenband. Die Wellen werden höher, schlagen quer, der Wind braust um die Insel. Yanik wacht auf und weint, ich nehme in zu mir und halte in fest in meinen Armen, so kann auch dieses Leichtgewicht einigermassen auf der Matratze bleiben. Bald sind wir da, können wieder in Ruhe schlafen und uns von den Strapazen dieser Übersegelung erholen. Adi und Andi bergen zwischen den Inseln die Segel und motoren das letzte Stück um die Wette gegen Wind und Wellen. Der Anker fällt, Ruhe kehrt ein, ich höre nur noch ein leises Murmeln und das Schneiden von Salami.
Am nächsten Morgen schaue ich neugierig hinaus. Wir liegen in der Bucht von Mindelo auf der Insel Sao Vicente. Die Kapverden sind 10 Inseln und seit 1975 von Portugal unabhängig. Jede Insel hat ein „Göttiland“, das die Insel in irgend einer Weise unterstützt (vor allem finanziell). Alle Inseln sind vulkanischem Ursprunges, so hat es Krater und auf der Insel Fogo einen noch aktiven (1995). Die Inseln sind meist sehr karg, doch jede ganz verschieden von der anderen. Einzig Sao Antao habe auf der dem Antlantik abgewandten Seite, eine grüne, üppige, bewirtschaftete Landschaft (Bananen, Orangen, Zucker, etc.), sonst leben die Leute meist vom Handel und Fischen. Es heisst, dass mehr Kapverden, in aller Welt leben, als hier auf den Inseln und ihre Heimat kräftig unterstützen.
Rundum liegen brauntönige Berge in allen Schattierungen. Mindelo überrascht mich mit seinen bunten Häusern im portugiesischen Kolonialstil. Gemütlich brechen wir auf, Mindelo zu erforschen. Bald spüre ich die vielen Gegensätze: Noble Karrossen passieren uns (BMW Cabriolet, Mercedes, etc), wie auch die allerletzten Klapperkisten. Wenige Kinder betteln uns an, andere tragen nobelste Designerkleider. Dunkle Augen gucken neugierig aus dunkelbraunen Gesichtern, dann lachen wieder ganz hellblaue aus ebenso dunklen Gesichtern. Krause Haare, glatte Haare, helle und dunkle. Flache Inseln, hohe Inseln, grüne und braune. Ehrliche, hilfsbereite Menschen, Schlitzohren, Abzocker. Arm, reich, gross, klein, dünn, dick, alt, neu. Ich höre, dass die Kapverden eines der ärmsten Länder der Welt ist, dann wieder, dass es eines der beststehenden in Afrika sei. Es ist faszinierend, herzlich und schön. Morgen werde ich mir kapverdische Musik von Césaria Evora besorgen, sie ist auch in der Schweiz keine Unbekannte mehr, der eine oder andere kennt sie sicher. Ich freue mich darauf.
Ende Januar brechen wir auf in die Karibik. 2100 Seemeilen warten auf uns, 16 – 21 Tage Übersegelung.